In klaren Nächten wie diesen treibt es meine Gedanken oft in die Wälder von Zabdza. Kennt ihr die Geschichte von Pzalem, dem Blutdorf?
Na dann hört besser zu. Ein junges Mädchen glitt des Nachts flinken Fußes über den morastigen Untergrund des Sumpflandes.
Das Wort „Hexe“ schallt noch immer in ihren Ohren.
„Vermaledeites Weibsstück“.
„Des Teufels Tochter.“
Mit Fackeln, schartigen Schwertern und Spießen hatten sie sie aus dem Dorf gejagt. Leise trägt der Wind noch die jubelnden Chöre der Dorfbewohner zu ihr, während sie ruhig einen Fuß vor den anderen setzt. Der feuchte Waldboden gibt unter ihren Füßen nach. Es knistert hier und da, Tiere nehmen Reißaus, fliehen panisch vor dem Gestank, den sie mit sich trägt.
Der Priester nannte sie die Tochter des Teufels. Er reckte die Glaubensinsigne hoch und murmelte Worte in seiner intellektuellen Sprache, die nicht einmal die einfältigen Bürger des Ortes verstanden.
Sie schon.
Sie verstand jedes Wort, und deshalb weiß sie auch, dass es ausgemachter Unsinn ist, was der Gläubige von sich gab. Aber ist ihm das auch bewusst?
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen, während sie langsam in den Teich gleitet. Die seichte Böschung erlaubt ihr, einer Treppe gleich, hineinzusteigen, bis ihre Füße den Boden berühren. Sie spürt die Flechten und Algen, die ihre Zehen umspielen.
Und das Wasser spürt sie.
Das Blut aus ihrer durchtränkten Kleidung verteilt sich um sie herum, wabert in gleichmäßigen Wellenbewegungen davon. Es vermischt sich mit dem Wasser und bildet einen undurchschaubaren roten Sud.
Gemächlich hebt die Frau ihre Hände und betrachtet die Finger, noch immer blutbefleckt, fährt sich durchs lange schwarze Haar und schließt bedächtig die Augen.
Die Dorfbewohner haben sie nicht verfolgt, nicht so tief in den Wald hinein. Sie weiß, dass sie es nur zu gern getan hätten, versteht aber auch, warum es nicht so weit gekommen ist. Sie haben Angst.
Ein kleines Mädchen haben sie vertrieben.
Ein Mädchen, dass sie aus einer Hütte gezerrt haben.
Eine Hütte, von oben bis unten besudelt mit den Überresten der einstigen Bewohner.
In diesem Chaos saß das junge Ding, mit leeren runden Augen, in denen sich der Schein der Fackeln widerspiegelt.
Doch selbst die größten und stärksten Männer – jene mit lauter Stimme und Armen wie Baumstämme, wagten es nicht sie anzufassen. Stattdessen fluchten und schimpften sie. Das Mädchen sprang auf, und lief davon. Tief in den Wald hinein.
Einige Momente verfolgten sie sie, kehrten dann jedoch um, froh, den Dämon vertrieben zu haben.
Aber hatten sie das?
Das junge Ding, das sie des Teufels Tochter genannt hatten, stieg aus dem Becken im Wald heraus, legte den Kopf in den Nacken und lachte. Sie lachte aus voller Kehle, so laut, dass die Bewohner die junge klare Stimme bis ins Dorf hören konnten.
Man munkelt, sie hätten die Türen verbarrikadiert und sich eingeschlossen. Gebete gesprochen und zu allen Göttern gebetet, die sie sich auf die Schnelle erdenken konnten.
Als ein Reisender das Dorf Pzalem des Morgens besuchte, fand er nur noch vor, was davon geblieben war.
Die Hütten waren voll von Blut und geborstenen Leibern, umringt von Fliegen und dem Geruch, der einzig dem Tod gehört. Was neben der Grausamkeit selbst besonders war?
Sie waren alle versperrt – die Hütten – von innen.
Keine einzige Seele befand sich draußen. Kein Anhaltspunkt, was geschehen sein konnte. Außer den blutigen Spuren nackter Füße, die offenkundig ruhigen Schrittes durch das Dorf gezogen waren. Kleine Mädchenfüße.
Das, mein Freund, war nicht das Werk des Teufels Tochter.
Es war der Teufel selbst, der in dieser Nacht erwacht ist.
Du möchtest die Geschichte lieber hören, statt zu lesen?