Kurzgeschichte #013 | Preis der Macht

Macht hat stets einen hohen Preis.

Eine der Weisheiten, die man den Kindern von Hohengart schon früh lehrte. Kam es doch in der aristokratischen Schicht stets darauf an, wie man sie erlangte, bewahrte und verteidigte.

Ein Aberglaube sondergleichen, wenn es nach Scaret Jardheim ging. Jung und ungebunden, stark und zielstrebig, durchflog der Adelsspross die Akademie von Hohengart. Rücksichtnahme und Mitgefühl waren Eigenschaften, die man ihm versuchte beizubringen, doch das hitzige Blut der Jardheims, war zu präsent.

Nicht verwunderlich, schloss er die Akademie mit Bestleistung ab, bewarb sich bei allerlei hohen Ämtern, schloss Verbindungen…und warf letztendlich doch alles hin.

Sein Vater hatte ihn verflucht, einen Narren geschimpft. Seine Mutter hatte geweint. Teure aristokratische Tränen auf unbezahlbarem Stoff.

Eine Farce.

Scaret ging fort, und schloss sich den Raubritterhorden an, die das Land durchstreiften, auf der Suche nach Gold und Blut.

Ein wagemutiger Schritt, der dazu führte, dass der junge Mann landesweit geächtet und als vogelfrei erklärt wurde. Hatte es ihn gekümmert? Nein.

All die Weisheiten der Professoren, die Weissagungen der Hofgelehrten, die Ratschläge der Mütter, alles hatte sich als nutzlos erwiesen, wenn man jemandem ein scharfes Messer an die Kehle hielt.

Scaret grinste in seine schwarze Maske hinein, die er nunmehr tagtäglich trug.

Sein Blick fiel auf die klappernden Totengestelle, die ihn stets umgaben. Sie folgten ihm, treuergeben. Sie folgten der Macht, der er gebot.

Das goldene Amulett mit den reinen funkelnden Smaragden im Inneren schimmerte mysteriös in seiner Hand. Achtlos war er in die Überreste eines längst verstorbenen Menschen gestiegen. Das Knacken und Krachen unter seinen schweren Sohlen ignorierte er. Ebenso wie damals das Gewimmer der Mitschüler, oder dass der Diener, die er misshandelt hatte. Niemand hatte das Recht in seinem Weg zu stehen.

Scaret fokussierte all seine Gedanken auf das Amulett. Es glomm und wurde warm in seiner Hand. Doch etwas war anders als sonst. Er wollte, dass die Skelette, die einst seine Gefährten waren, sich bewegten, in eine Richtung gingen. Auskundschafteten, so wie er es befahl. Aber sie standen stur um ihn, betrachteten ihn, als wäre das Leben erneut aus ihnen gewichen.

Irgendetwas stimmte hier nicht.

Langsam erhob sich der Mann und blickte um sich.

»Macht hat einen hohen Preis«, schallte eine Stimme über die Lichtung. Er konnte nicht einschätzen, woher sie kam. War es eines der Skelette? Nein, unmöglich.

»Wer ist da?«, rief er aufgebracht. »Zeig dich, du Hund.« Seine Hand wanderte bedächtig an den Schaft seines Kurzschwerts. Scheiß auf die Skelette. Das eigene Schwert war stets der treuste Begleiter gewesen.

»Wärest du bereit ihn zu zahlen?« Sprach die Stimme weiter.

»Komm raus, verdammter Schwätzer!«

»Ein Glück, dass du nie wahre Macht besessen hast.« Die Stimme lachte finster. »Du bist nicht bereit zu zahlen.«

Scaret reckte das Amulett in seiner Rechten nach oben.

»Ich zeige dir was Macht ist! Meine Diener werden dich zerreißen!«

Erneut lachte die Stimme. Der Wind trug die Stimme über die Lichtung und zerriss sie unwirklich. Plötzlich spürte der Mann ein Rieseln in seiner Hand. Das Amulett löste sich Stück für Stück in grauen Staub auf und flog im Wind davon. Ungläubig zerrieb Scaret die Überreste in seiner Hand.

»Du hast nur mit dem gespielt, was ich Dir gegeben habe.« Scarets Selbstbewusstsein begann zu bröckeln, wie das Schmuckstück gerade eben.

»Ich muss gestehen, mich verkalkuliert zu haben. Du warst nicht die richtige Wahl, Sohn Jardheims.« Die letzte Silbe seines Namens verhallte im Wind. Es kehrte ein Moment der Stille ein, bevor die Skelettkrieger sich erneut in Bewegung setzten. Nicht in die Richtung, die Scaret ihnen durch die Macht des Amuletts gewiesen hatte. Sondern auf ihn zu.

Eisernes Schaben erklang, als sie die rostigen Waffen zogen, über den Boden schliffen, und zum Schlag erhoben.

Die Stärke und Zuversicht, die Scaret so lange durchs Leben trug, wich blankem Entsetzen.

Das erste und letzte Mal in seinem Leben, gab es für ihn einen Preis zu zahlen.

ENDE

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